So geht Führen ohne Macht (Laterale Führung)
Viele Führungskräfte haben keine disziplinarische Weisungsbefugnis. Sie führen ohne Macht. Das funktioniert mit Verständnis, Vertrauen, Kommunikation und dem Blick auf die übergeordneten Ziele. Dann können sich informelle Machtstrukturen ergeben.
Viele Unternehmen sind heute weitgehend wie ein Netzwerk strukturiert. Die Bereichsgrenzen und die Hierarchiestufen spielen eine immer geringere Rolle, etwa weil die Leistungen zunehmend in bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifenden Arbeitsteams erbracht werden. Damit stößt auch das klassische Führen an seine Grenzen, das weitgehend auf der qua Position verliehenen disziplinarischen Macht und Weisungsbefugnis beruht.
Beim lateralen Führen gibt es keine Weisungsbefugnis
An Bedeutung hingegen gewinnt das laterale Führen, das auf Vertrauen und Verständigung beruht. Es strebt danach, mit einem gemeinsamen Denkrahmen die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten so gut wie möglich tragfähig zu verbinden. Diese Art von Führung muss sich, da die disziplinarische Weisungsbefugnis als Machtquelle entfällt, auf andere Machtquellen stützen – zum Beispiel auf eine hohe persönliche Autorität und Integrität, ein ausgewiesenes Expertentum oder auf ein gezieltes Networking, das die eigene informelle Machtbasis stärkt.
Laterale Führung ist durch bereichsübergreifende Kooperationen, Vernetzungen, flache Hierarchien sowie Team- und Projektarbeit gekennzeichnet. Laterales Führen heißt mehr als koordinieren. Während Koordination primär darauf abzielt, Interessen, Aufgaben oder Tätigkeiten aufeinander abzustimmen, beinhaltet Führung auch ein Einwirken auf andere Personen, damit sie in eine gewünschte Richtung handeln.
Zentrales Ziel von lateraler Führung ist also nicht das Aushandeln oder Vereinbaren tragfähiger Kompromisse, sondern das Erreichen der eigenen oder übergeordneten Ziele, wozu wiederum der Kompromiss ein Instrument sein kann. Entsprechend schwierig ist laterale Führung in der Praxis, da die an diesem Prozess beteiligten Personen aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen und Positionen im Unternehmen häufig divergierende Interessen haben.
Beispiele für Situationen, in denen laterale Führung gefragt ist.
Beispiel: Verständigung zwischen Unternehmensbereichen:
Ein Teamleiter erhält von seiner Vorgesetzten ein Mandat, die Kooperation zwischen verschiedenen
Bereichen im Unternehmen in Gang zu setzen. Er verfügt jedoch nur über schwache Mittel, die betroffenen
Bereiche „an die Leine“ zu nehmen.
Beispiel: Verständigung in der Wertschöpfungskette;
Zwei Unternehmensbereiche müssen entlang der Prozesskette kooperieren. Die Bereichsleiterin kann aber
bei Meinungsverschiedenheiten wegen Zeitmangel, fehlender Praxisnähe der Instanzen oder mangelnder
Konfliktschlichtungskapazität nicht auf übergeordnete Instanzen als „Schlichter“ zurückgreifen.
Beispiel: Verständigung unter Geschäftspartnern:
Eine Organisation muss sich mit mehreren autonomen Lieferanten und Kooperationspartnern darüber
verständigen, wer im Rahmen eines gemeinsamen Projekts welche Leistungen für einen gemeinsamen
Kunden erbringt.
Beispiel: Herbeiführen von Entscheidungen:
Laterale Führung ist auch beim Treffen und Herbeiführen von Entscheidungen in kollegialen Gremien, wie
zum Beispiel Vorständen oder Präsidien, von Bedeutung. Gleiches gilt für bereichs- und
unternehmensübergreifende Veränderungsprozesse.
Instrumente lateraler Führung
Beim lateralen Führen können keine Anweisungen erteilt werden. Es bedarf informeller
Führungsinstrumente. Die informellen Führungsinstrumente lassen sich vier Bereichen zuordnen:
Verständigung herstellen
- Auffassungen (mentale Modelle) verändern, damit Verständigung entsteht.
- Individuelle mentale Modelle erweitern, um kollektive mentale Modelle zu kreieren.
- Das Lernen erster Ordnung (Verhalten) ergänzen um ein Lernen zweiter Ordnung (mentale Modelle, Werte).
- Sondieren der individuellen Interessen, um Ziele, Herausforderungen und Werte zu klären.
- Sondieren der individuellen Auffassungen, um Überzeugungen, Arbeitsschemata und
- Entscheidungsverfahren zu klären.
Kommunikation verbessern
- Kommunikation in Kooperationen verbessern.
- Verständigungsbrücken schaffen; Partner sollen nachvollziehen können, was der andere meint.
- Interaktion und Dialoge entstehen lassen.
Vertrauen erzeugen und erhalten
- Vertrauen als Tauschgeschäft: Wer vertraut, dem wird vertraut.
- Grundlagen von persönlichem Vertrauen herausarbeiten lassen.
- Zwänge offenlegen.
- Regeln der Kommunikation und Kooperation erarbeiten, einführen und kontrollieren.
- Vertrauen langsam wachsen lassen: Felder identifizieren, wo das Risiko nicht so groß ist.
Macht arrangieren
- Macht erwächst aus dem Beherrschen von Zonen der Unsicherheit, die es zu reduzieren gilt. Zum Beispiel aufgrund von Fachwissen, Marktbeziehungen, Umweltbeziehungen, Kommunikation, formalen Bedingungen, Charisma, Heldentaten, Sympathie oder Zukunftseinschätzungen.
- Macht ist eine Austauschbeziehung. Getauscht werden Handlungsmöglichkeiten (Fähigkeit, für andere Probleme zu lösen). Ein „Markt“ lässt neue Austauschbeziehungen entstehen und verändertso das Machtgefüge.
- Ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Vision kreieren.
- Rationalität erhöhen durch Weitergabe von Wissen und Informationen.